Die Geburt eines Kindes ist für viele Frauen der wichtigste Moment ihres Lebens – ein wunderschöner, aber mental und körperlich auch herausfordernder Prozess. Schätzungen zufolge erleben etwa 60 bis 70 % aller Mütter in irgendeiner Form eine Verletzung während der Geburt. Doch keine Sorge, die meisten dieser Verletzungen heilen gut und schnell, wenn sie richtig gepflegt werden. Als Hebamme möchte ich dir in diesem Artikel wertvolle Tipps mit auf den Weg geben, wie du die Heilung deiner Geburtsverletzungen bestmöglich unterstützen kannst.
Häufigsten Arten von Geburtsverletzungen
Die häufigsten Geburtsverletzungen betreffen den Damm. Das ist der Bereich, der zwischen Vagina und Anus liegt und ein Teil des Beckenbodens ist. Während der Geburt muss sich dieses Gewebe enorm dehnen, um das Baby passieren zu lassen. Es kann dabei zu Dammrissen, aber auch zu einem Dammschnitt (Episiotomie) kommen.
Der Dammschnitt erfolgt während einer Wehe und wird entweder nach unten in Richtung After (median) oder schräg (mediolateral) gesetzt. Da das Gewebe während einer Wehe weniger durchblutet ist, spüren die meisten Frauen den Schnitt kaum. Ein Dammschnitt wird heute allerdings nur selten in bestimmten Situationen vorgenommen, etwa wenn Hebamme oder Arzt bei Komplikationen die Geburt beschleunigen wollen oder um einen größeren Dammriss zu vermeiden.
Bei einem Dammriss, gibt das Gewebe von selber nach und reißt ein. Die Ausprägung kann sehr unterschiedlich sein. In den meisten Fällen handelt es sich um leichte bis mittelschwere Risse, die in der Regel problemlos verheilen. Oberflächliche Verletzungen können so abheilen. Tiefe Risse am Damm und im Scheidengewebe müssen aber immer genäht werden. Da bei Berührung mit Urin die Wunde brennt, werden meist auch kleinere Geburtsverletzungen genäht.

Verschiedene Schweregrade von Dammrissen:
Grad 1: Leichte Dammrisse
Dammrisse ersten Grades betreffen nur die Haut und das oberflächliche Gewebe des Damms. Sie sind meist klein, heilen schnell und erfordern oft keine Behandlung, außer einer einfachen Wundreinigung. In manchen Fällen kann eine kleine Naht nötig sein.
Grad 2: Mäßige Dammrisse
Diese Risse betreffen die Haut und das darunterliegende Muskelgewebe, jedoch nicht den Schließmuskel des Afters. Sie kommen bei etwa 20-30 % der Geburten vor und müssen in der Regel genäht werden. Die Heilung erfolgt meist ohne Komplikationen, Schmerzen können mit Schmerzmitteln behandelt werden.
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Grad 3: Schwere Dammrisse
Ein Dammriss dritten Grades betrifft den äußeren Schließmuskel des Afters. Er tritt bei etwa 3-5 % der Geburten auf und erfordert eine präzise Nahtbehandlung. Eine Nachbehandlung und Physiotherapie für den Beckenboden sind wichtig, um langfristige Folgen zu vermeiden.
Grad 4: Sehr schwere Dammrisse
Diese schwerwiegenden Risse betreffen sowohl den äußeren als auch den inneren Schließmuskel des Afters. Sie sind selten (0,5-2 %) und erfordern eine chirurgische Behandlung sowie eine intensive Nachsorge, einschließlich Physiotherapie. Langfristige Behandlung kann notwendig sein, um Inkontinenz und andere Komplikationen zu verhindern.
Gut zu wissen: Auch Scheidenrisse, Labienrisse und Klitorisrisse sind möglich, wenn das Gewebe während der Geburt stark gedehnt wird, kommen jedoch mit 1-5% wesentlich seltener vor als Dammrisse.

Reißen, oder Schneiden, was ist besser?
Studien zeigen, dass Dammrisse im Vergleich zu Dammschnitten in der Regel schneller heilen und langfristig weniger Beschwerden wie Inkontinenz, das Risiko für Narbenbildung oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr verursachen. Allerdings ist ein Dammriss weniger vorhersehbar und kann in manchen Fällen unregelmäßig verlaufen oder schwieriger zu nähen sein. In bestimmten Situationen, wie bei einer großen Kindern oder Komplikationen, wenn die beschleunigt werden soll, kann ein Dammschnitt dennoch sinnvoll und notwendig sein. Letztlich bleibt es eine Entscheidung, die individuell und situativ getroffen wird – immer unter der Berücksichtigung von Mutter und Kind und der Erfahrung der Geburtshelfer.
Wie pflege ich Geburtsverletzungen? Meine besten Tipps aus der Hebammenpraxis
Die ersten Tage nach der Geburt fühlt sich der gesamte Intimbereich anders an – das ist ganz normal. Wenn während der Geburt Geburtsverletzungen wie Dammrisse oder ein Dammschnitt entstanden sind, kann sich der Bereich zusätzlich schmerzhaft und empfindlich anfühlen. Oft wird auch beschrieben, dass sich die Scheide nach der Geburt “offen” anfühlt. Das liegt an der intensiven Dehnung des Beckenbodens und der Scheide, die dazu führen, dass Scheideneingang und Schamlippen vorübergehend etwas weiter auseinander stehen.
Mit diesen Tipps, kannst du die Heilung deiner Geburtsverletzungen positiv unterstützen:
1. Benutze atmungsaktive Binden
Im Wochenbett ist es wichtig, dass du auf atmungsaktive Materialien achtest, die die Wundheilung unterstützen. Ich empfehle dir, Binden ohne Plastik zu verwenden, die du unter dem Namen “Strampelpeter” oder einfach als “Surfbretter” im Drogeriemarkt finden kannst. Diese Binden sind besonders weich und saugfähig und enthalten kein Plastik, wodurch deine Haut gut atmen kann – wichtig für eine schnelle Heilung und um Hautreizungen zu vermeiden.
2. Viel Liegen für den Beckenboden
In den ersten Tagen nach der Geburt ist es besonders wichtig, dass du dir ausreichend Ruhe gönnst. Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist Liegen zu bleiben, besonders wenn das Stillen im Sitzen besser klappt oder Besuch vor der Tür steht. Aber dein Körper, besonders dein Beckenboden, braucht Zeit, um sich zu regenerieren. Wenn du liegst, entlastest du nicht nur deine Dammnaht, sondern den gesamten Beckenboden, der sich durch die Geburt stark dehnen musste. Versuche, in den ersten zwei Wochen daher viel zu liegen.
3. Verzichte auf Sitzringe
Ich weiß, dass es verlockend ist, sich auf ein Sitzkissen zu setzen, besonders wenn der Dammbereich schmerzt. Aber leider ist das keine gute Idee. Sitzkissen oder Hämorrhoidenkissen können dafür sorgen, dass sich das Blut im Dammbereich staut, was die Schwellung verstärken kann. Wenn du liegst, wird die Wunde entlastet und die Heilung kann besser voranschreiten.
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Deine Scheide nach der Geburt: Alles über die Veränderungen und Heilung
4. Verdünne deinen Urin
Ein weiterer Tipp, den ich aus Erfahrung als Hebamme immer gerne gebe: Beim Toilettengang kann der Urin brennen, besonders in den ersten Tagen nach einer Geburtsverletzung. Um das zu lindern, nimm dir einfach eine kleine Flasche mit lauwarmem Wasser mit auf die Toilette und gieße es während des Wasserlassens über die betroffene Stelle. Das verdünnt den Urin und der direkte Kontakt mit der Wunde ist weniger schmerzhaft. Mittlerweile sind auch Intimduschen z.B. von “HappyPo” sehr beliebt.
5. Achte auf weichen Stuhlgang
Ein weicher Stuhlgang ist gerade nach einer Dammverletzung sehr wichtig. Verstopfung oder harter Stuhlgang können den Beckenboden stark belasten und zum Reißen der Naht führen. Deshalb empfehle ich dir, ballaststoffreich zu essen, viel zu trinken und auch auf sanfte Hilfsmittel wie Milchzucker oder Mikroklistiere (Minieinläufe) zurückzugreifen, wenn nötig. Einige Frauen finden es auch hilfreich, während des Stuhlgangs ein Tuch gegen die Naht zu halten – das hilft, den Druck zu mindern.
6. Kühlende Quarkkompressen
Ein natürlicher Tipp, den viele Frauen sehr angenehm finden, sind Quarkkompressen. Quark wirkt kühlend und entzündungshemmend und hilft, Schwellungen zu lindern. Dazu legst du ein bis zwei Esslöffel Quark auf ein Stück Küchenrolle, faltest es zu einem kleinen Paket und legst es in den Kühlschrank. Die kalten Kompressen bringen sofort Linderung und fördern die Heilung. Du kannst ruhig mehrere solcher Kompressen vorbereiten und immer wieder verwenden.
7. Calendula-Kompressen für die Wundheilung
Calendula (Ringelblume) ist ein weiteres bewährtes Heilmittel, das die Wundheilung unterstützt. Du kannst eine Binde mit verdünnter Calendula-Essenz beträufeln und diese dann ins Gefrierfach legen. So hast du jederzeit eine kalte, heilende Kompresse griffbereit. Die kühlende Wirkung zusammen mit der heilenden Kraft der Calendula sorgt für Erleichterung und fördert die Regeneration des Gewebes.
8. Homöopathie für eine sanfte Heilung
Für viele Frauen ist Homöopathie eine wertvolle Unterstützung im Wochenbett. Traumeel-Tabletten sind besonders hilfreich, um Entzündungen zu lindern und die Heilung zu fördern. Außerdem kann Arnica C30 (5 Globuli einmalig) helfen, den Heilungsprozess zu beschleunigen und die Beschwerden nach der Geburt zu lindern. Falls du einen Dammschnitt hattest, kann auch Staphisagria C30 (5 Globuli einmalig) helfen, die Wundheilung zu unterstützen.
Wichtig: Die Fäden lösen sich in der Regel von selber auf, können bei Problemen aber auch von der Hebamme beim Wochenbettbesuch gelöst werden.
9. Sitzbäder für die Wundheilung
Ein warmes Sitzbad kann wahre Wunder wirken – sowohl für die Seele als auch für Geburtsverletzungen. Es entspannt den Beckenboden und wirkt entzündungshemmend. Ideal sind Kräuter wie Tannolact, Eichenrinde oder ein spezielles Sitzbad von Ingeborg Stadelmann. Achte darauf, mindestens 5 Tage nach der Geburt zu warten, bevor du ein Sitzbad nimmst, damit sich die Fäden nicht zu früh auflösen. So kannst du dich entspannen und gleichzeitig die Heilung fördern.
10. Narbenmassage für eine geschmeidige Heilung
Sobald die Naht gut verheilt ist, kannst du beginnen, die Narbe mit einer Narbenmassage zu pflegen. Das hilft, das Gewebe geschmeidig zu halten und verhindert, dass es sich verhärtet oder später beim Geschlechtsverkehr Beschwerden verursacht. Du kannst dafür eine Salbe wie Beinwellsalbe von Stadelmann, Bepanthen oder Rescue-Creme verwenden. Die regelmäßige Massage fördert die Durchblutung und macht das Gewebe flexibler.
Kann es bleibende Probleme geben?
Die gute Nachricht zuerst: In den meisten Fällen heilen Geburtsverletzungen innerhalb von ein paar Tagen bis weniger Wochen sehr gut ab.
Es kann jedoch gelegentlich zu kleinen Rückschlägen kommen, z.B. wenn man lange auf den Beinen war, sein Baby lange tragen musste oder eine Erkältung mit Husten hatte. Es kann auch sein, nachdem der Nahtschmerz abgeklungen war dass die Nähte wieder anfangen zu schmerzen. In solchen Fällen liegt es oft daran, dass die Knoten unter Spannung stehen und sich noch nicht gelöst haben. Auch wenn sich die Fäden selbstauflösend sind, kann es hilfreich sein, wenn die Hebamme die Fäden zieht. Das dauert nur einen kurzen Moment und lindert meist sofort die Beschwerden – du wirst sehen, wie angenehm das ist!
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Auch wichtig zu wissen: Geburtsverletzungen können das Risiko für eine Beckenbodenschwäche mit Symptomen wie Inkontinenz, Druckgefühl in der Scheide oder einer Gebärmuttersenkung erhöhen. Deshalb ist es wichtig den Beckenboden nach der Geburt gezielt zu stärken. Ein gezieltes Beckenbodentraining hilft, die Muskulatur zu kräftigen und mögliche Beschwerden vorzubeugen. Es gibt zudem wunderbare Online Rückbildungskurse, die dir helfen, den gesamten Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Da Narbengewebe weniger flexibel ist als “gesundes” Gewebe, klagen einige Frauen über Schmerzen beim Sex nach der Geburt. Ich empfehle daher immer gerne eine Narbenmassage, um das Gewebe weich und flexibel zu bekommen und Probleme beim Geschlechtsverkehr gar nicht erst entstehen zu lassen.
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Mit Dammmassage vorbeugen
Du fragst dich jetzt vielleicht, ob Geburtsverletzungen vermeidbar sind. Eine verständliche Frage. Leider lassen sich Geburtsverletzungen nicht zu 100 % verhindern, da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Es gibt aber Möglichkeiten, das Risiko etwas zu verringern:
Dammmassage: Eine regelmäßige Dammmassage ab der 34. Schwangerschaftswoche kann das Dammgewebe auf die Belastung vorbereiten und das Risiko von schweren Dammrissen (DR3 ° und DR4°) senken. Auch Entspannungsübungen für den Beckenboden sind hilfreich, um ihn flexibel und gut durchblutet zu halten – das kann die Geburt für dich und dein Baby erleichtern.
Geburtspositionen: Wusstest du, dass auch die Geburtsposition eine Rolle spielt? Der Vierfüßlerstand oder die Seitenlage sind beckenbodenschonender und reduzieren dadurch das Risiko von Geburtsverletzungen. Statt auf kräftiges Pressen (Powerpressen) zu setzen, ist es viel schonender, auf dein eigenes Gefühl zu hören und das Baby ruhig und kontrolliert zu schieben. Das dauert zwar länger, ist aber schont deine Kräfte und den Beckenboden.

Zusammenfassung
Viele Frauen haben nach der Geburt Verletzungen im Genitalbereich. Am Häufigsten sind Dammrisse und Dammschnitte. Vor allem in den ersten Tagen solltest Du so viel wie möglich liegen, um den Beckenboden, und damit auch die Dammnaht zu entlasten. Die Verletzungen heilen jedoch meist sehr schnell ab. Bereits nach rund 1 Woche geht es den meisten Frauen wieder viel besser. Sitzbäder, Kompressen, oder Spülungen mit Zusätzen tun den meisten Frauen gut und unterstützen die Wundheilung.
Normalerweise lösen sich die Fäden von alleine auf, aber hin und wieder kann der Faden anfangen zu spannen, oder zu piken. In so einem Fall kann die Hebamme beim Wochenbettbesuch die Fäden lösen. Nach etwa 4 Wochen ist die Wunde meist komplett verheilt. Wenn man möchte, kann man die Naht mit einem Öl sanft massieren, um sie geschmeidiger zu machen.